In Teichanlagen gefütterte und großgezogene Fische weisen überlebenswichtige Verhaltensmuster
– wie dies die wild geborenen zeigen – nicht mehr auf.
Völlig von den plötzlich geänderten Strömungsverhältnissen überrascht, werden sie abgetrieben und finden in der nächsten Turbinenkammer oder im Tosbecken (Unterhalb des Wehres liegendes Becken) ihr trauriges Ende. Auch darf man den Geschiebetransport (Steinschlag unter Wasser) bei trüben und ansteigenden Fluten nicht unterschätzen. Hier wird ein Großteil der Fische – vor allem Äschen – erschlagen.
Doch zurück zu den Brütlingen.
Hochwässer, auch kleineren Ausmaßes, enden für viele Jungfische lethal. Nur ca. 1% überlebt das erste Jahr. Auch sie werden – vor allem aus Mangel an Unterständen oder Ruhigzonen (Seitenarme und Retensionsräume) ausgehebelt und abgetrieben. Sie finden sehr oft dann ihr Ende beim stromab Passieren des nächsten Kraftwerkes, da sie vom enormen Wasserdruck in den Turbinen zerquetscht werden. Auch ein erfolgreiches Retourschwimmen ist reine Illusion.
Die neuen Aufstiegshilfen (vertical slot) ermöglichen dies zumeist nur größeren Fischen aufgrund der hohen Fließgeschwindigkeit, raue Rampen wären vorteilhafter). Alles, was unter 12 cm Körperlänge ist, schafft das nicht. Und so pumpt jedes Hochwasser unsere Salmoniden talwärts und produziert im Oberlauf fischleere Gewässer, von denen eigentlich der Hauptstrom leben sollte.
Konzentrieren wir uns einmal auf die Bachforelle – eine bedrohte Fischart.
Der Markt verlangt’s und der Handel, bzw. die Fischzüchter, reagieren. Nicht nur, daß die heimische Form der donaustämmigen Bachforelle bei uns fast ausgestorben ist, haben gut gemeinte Besatzmaßnahmen von Zuchtfischen (Atlantikstamm) aufgrund veränderter Lebensraumbedingungen zum Verschwinden der autochtonen Arten geführt. Die häufige – von Biologen kolportierte – Kritik an der Lebensraumkonkurrenz durch die Regenbogenforelle ist meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt.
Der Bedarf an Speisefisch, als gesundes Nahrungsmittel angepriesen, wächst ständig. Die österreichische Fischzucht ist derzeit nicht in der Lage, die Nachfrage zu befriedigen. Dicht an dicht werden im Betonbecken Forellen gehalten, die dann aus reinem Streß sich gegenseitig verstümmeln (Flossenschäden oder gar Fehlen ganzer Extremitäten). In der Pfanne spielt das keine Rolle, im Freiwasser jedoch eine sehr große. Versuchen Sie einmal, ohne Zehen oder ohne Unterschenkel schnell zu laufen!
Besatz mit solchen Zuchtprodukten – und dies gilt nicht nur für die Bachforelle – verschwinden beim nächsten Hochwasser auf Nimmerwiedersehen. Zugleich findet man – und das jedoch äußerst selten (vor allem bei Hobbyteichwirten) vom Äußeren her makellose Farios, die nicht so dicht gehalten wurden. Aber auch diese sind – und das sieht man ihnen leider nicht an – ebenfalls, so wie unsere Hühner, Schweine und Kühe, domestizierte Zuchtprodukte.
Teil III:
Verhaltensmuster heimischer Salmoniden
Wie kann man wild geborene Bachforellen in Massen halten und groß ziehen, ohne dass sich diese gegenseitig umbringen? Salmo Trutta ist nämlich im Gegensatz zur Äsche, kein Schwarmfisch. Die genetische Selektion durch uns Menschen hat schon vor Jahrzehnten stattgefunden und nur jene Fische zur Fortpflanzung zugelassen, die raschwüchsig, friedfertig, krankheitsresistent und willens waren, Kunstnahrung anzunehmen. Die Massentierhaltung, Genmanipulation und Zuchtauswahl lassen grüßen. Und versuchen Sie einmal, ein Stallrind in der Serengeti auszusetzen und darauf zu wetten, wie lange es überlebt! Es kennt nämlich – so wie die Fische aus Zuchtbetrieben auch – ihre natürlichen Freßfeinde nicht und wird so zur leicht erlegbaren Beute (Kormoran, Reiher, Gänsesäger und Fischotter freuen sich).
Besatzfische überleben am ehesten in den langsam fließenden Kreideflüssen (Quellflüsse) mit ihrem konstanten Abflußregime, dem reichlichen, ganzjährigen Nahrungsangebot und kalter Wassertemperatur. Der Wasserpflanzendschungel dient zusätzlich als willkommenes Versteck für die deckungsliebende Bachforelle. Verkümmerte Flossen können sich, so die Schäden nicht so groß sind, auswachsen und die Umstellung auf Naturnahrung erfolgt automatisch. Sogenannte „free stone rivers“ (Alpenflüsse) mit ihren stark schwankenden Wasserständen, sind hingegen, ausgenommen kleine Seitenbäche, für Besatzzwecke mit Zuchtfischen ungeeignet. Es sei denn, man ergreift spezielle Gegenmaßnahmen, die zu einer gewissen Standorttreue führen.
Als probate Lösung würde sich auch das Einkreuzen von Wildfischen anbieten, beherbergt aber für den Züchter das Risiko, aufgrund der genetischen Variabilität auch kleinwüchsige und schlecht an Teichhaltung angepasste Bachforellen zu erhalten. Und dies bedeutet vermehrten Arbeitsaufwand (Sortierung) bei geringerem Erlös. Untersuchungen haben gezeigt, dass – wenn im Aussetzgewässer – einige wenige Zuchtfische überleben und zur Fortpflanzung schreiten, der Wildfischcharakter erst nach vielen Generationen wieder durchschlägt. Dasselbe gilt natürlich auch für die Regenbogenforelle.
Salmoniden, das haben Tests gezeigt (Sender) wandern pro Jahr bis an die 100 km in einem begrenzten Flußabschnitt (also mehrmals rauf und runter). Wo können sie das bei uns heute noch tun? Bei einer heimische Dichte von 5.200 Kraftwerksanlagen – und ein Ende ist nicht absehbar – ist dies unmöglich.
Es stellt sich auch die Frage, was unsere ausgesetzten Zuchtprodukte im freien Gewässer fressen. Auswilderungsprojekte von Luchs, Steinadler oder Bartgeier haben gezeigt, dass Überleben und Adaption an einen neuen „feindlichen Lebensraum“ nur über Nahrungsbereitstellung durch Fütterung über einen längeren Zeitraum von Erfolg gekrönt waren. Wovon leben aber unsere Fische im Fluss? Nur mehr 20% an Insektennahrung im Vergleich zu früher (vor 50 Jahren) stehen heute noch zur Verfügung. Chemische Stoffe aus Haushalten, Industrie und Landwirtschaft, aber auch Östrogene, Arzneimittelrückstände und Antibiotika, die durch die Kläranlagen ungefiltert durchlaufen, machen der Hauptnahrung unserer Fische (Nymphen und Larven) den Garaus.
Was fressen also unsere Fische, die an eine bestimme, proteinreiche Nahrung in der Fischzucht gewöhnt sind – Steine?
Sechs lange Monate kann ein Fisch im Teich ohne Nahrung überleben. Im Fluss magern sie schneller ab, da höherer Energieverbrauch – und beim nächsten Hochwasser sind sie folglich verschwunden – teurer Neubesatz ist notwendig. Ein Schicksal, das viele Gewässerbewirtschafter in Österreich teilen und sie können diesem ständigen Verlust kaum etwas entgegensetzen.
Fast fischleere Flüsse und Bäche sind die Folge. Alle jammern und beklagen den Rückgang aller flossentragenden Strömungsbewohner – man hört es von allen Seiten. Armes, ehemalig fischreiches Österreich!
Gibt es Alternativen?
Fortsetzung folgt.