Die Wiedereinbürgerung einer standorttreuen Population der Irrsee Seeforelle.
Eine Dokumentation über die Eientwicklung vom Augenpunktstadium bis hin zur juvenilen Seeforelle unter kontrollierten Bedingungen.
Wie alles begann. Am Anfang war die Idee, ob und wie man befruchtete Eier im Zeller Bach zum Schlüpfen bringen kann. Das Ziel dieser Strategie ist eine nachhaltige und ökologisch sinnvolle Bewirtschaftung der Seeforelle am Irrsee zu erreichen. Nachhaltig heißt in diesem Fall, einen sich eigenständig reproduzierenden Bestand von Seeforellen wiederaufzubauen. Da der jetzt schon viele Jahre laufende Besatz mit Brütlingen nicht den gewünschten Erfolg brachte, wollten wir Versuche mit Eiern im Augenpunktstadium forcieren. Doch wie sollten wir die Fischeier im Zeller Bach positionieren. Das Hauptproblem ist ja, wie an vielen anderen Gewässern auch, die starke Verblockung und das damit verbundene strukturschwache Bachbett. Im Ortsgebiet von Zell am Moos ähnelt dieser Bach ja einem Kanal. Es gibt fast keine natürliche Struktur und nur einige kleine Schwellen geben den Fischen Schutz gegen die bei Hochwasser vorherrschende extrem starke Strömung. Wer den Zeller Bach kennt, der weiß, wie schnell der Bach anschwillt und alles, was sich nicht in den Ritzen der Verblockung verstecken kann, in den Irrsee mitreißt. Unglaubliche Schottermengen werden transportiert und in den Irrsee geschwemmt. Der wachsende Schwemmkegel und der sich ständig ändernde Bachverlauf im Mündungsbereich sind das Ergebnis dieser natürlichen Schottereinbringung. Gerade im Frühjahr kann es immer wieder bedingt durch Schmelz und Regenwasser zu extremen Sturzbächen kommen und die ganze Arbeit wäre umsonst.
Das klassische Cocooning, ein Kokon, gefüllt mit Fischeiern wird im Oberflächensubstrat eingegraben, kommt daher im unteren Teil des Zeller Baches vorerst nicht in Frage. Es gibt aber schon Gespräche ob man erste Versuche mit Withlook Vibert Boxen durchführen sollte. Durch den Tipp eines Fliegenfischers (Hannes Höbarth) kamen wir vor einigen Jahren auf die Idee eine Brutbox im Zeller Bach aufzustellen und mit Seeforelleneiern im Augenpunktstadium zu bestücken. In einer Fachzeitschrift wurde eine dieser Boxen beschrieben und auch verkauft. Das Prinzip dieser Brutbox ist die Imitation der in einem Laichbach vorherrschenden Verhältnisse. Strömung und Substrat werden auf diese natürlichen Vorgaben für die Erbrütung von Seeforelleneier angepasst. Die frisch geschlüpften Fischlarven bewegen sich in einem geschützten Bereich und können jederzeit und selbstständig die Box verlassen. Damit soll auch das Homing, die Wiederkehr in den Laichbach, gefördert werden. Erste Versuche in Hinblick auf die Funktionalität der Box in der Ager, noch ohne Fischeier, verliefen Erfolg versprechend und wir waren sicher, die Sache funktioniert. Jetzt galt es die ersten Erfahrungen im Zeller Bach zu machen. Leider war die gekaufte Box aber vom Strömungsdruck abhängig und die Strömung des Zeller Baches ist bei normalen Wasserstand dafür einfach zu schwach. Unsere Überlegung war daher den Strömungsdruck mittels einer Tauchpumpe zu erzeugen und mit einem Kugelhahn zu regulieren. Nun wurde die Box im Mündungsbereich des Zeller Baches aufgestellt und erstmalig mit Seeforelleneiern bestückt. Nach einigen Tagen kontrollierten wir die Box und wir konnten es kaum glauben, die ersten, seit langen Jahren wieder am Irrsee geschlüpften Seeforellenlarven lagen vor uns. Ein großer Erfolg und ein Ansporn für weitere Versuche. Leider hatten wir immer wieder mit großen Schmelzwassermengen zu kämpfen. Um die Fischeier vor dem Hochwasser zu schützen mussten wir die Brutbox daher außerhalb des Baches positionieren. Zusätzlich wurde, um eine Verschmutzung und Sedimentablagerungen in der Box zu vermeiden, das Wasser über die Tauchpumpe dem Irrsee entnommen. Es wäre zwar von Vorteil das Wasser direkt aus dem Bach zu beziehen, aber durch den externen Standort der Pumpe im See kann die Box jetzt auch bei Hochwasser mit sauberem Wasser betrieben werden.
Der Aufbau und das Prinzip unserer Brutbox. Das Prinzip der beschriebenen Brutbox ist, ein in sich isoliertes Laichsubstrat, mit Zu und Ablauf. Die Fischeier und Larven, sind gegen natürliche Fressfeinde geschützt und können nach dem Verbrauch des Dottersackes jederzeit die Box durch einen Überlauf verlassen. Das Prinzip des Homings basiert ja auf den natürlichen Schlupf im Gewässer und es besteht die Möglichkeit mit dieser Methode wieder neue Laichplätze zu schaffen oder alte, nicht mehr angenommene, Laichplätze zu reaktivieren.
Das Einbringen der Eier und das Schlüpfen der Seeforellenbrut. Nach dem Füllen der Boxen mit Rundsteinen und der Inbetriebnahme wird die Box mit Seeforelleneiern im Augenpunktstadium bestückt. Es werden ausschließlich Seeforelleneier von Wildfischen aus dem Attersee (Regionaler Wildfisch) verwendet. Einer dieser Mutterfische hatte 18 kg Gewicht und zeigte uns zu welchen Größen Seeforellen auch in der heutigen Zeit noch abwachsen können. (Wenn man sie lässt) Um größere Verluste durch Verpilzung zu vermeiden werden die Eier in der Brutanstalt Kreuzstein im Augenpunktstadium kalt gelagert. Auch die Durchflussmenge in der Box muss geregelt werden. Salmonideneier (Embryonen) haben einen hohen Sauerstoffbedarf, der durch die Zufuhr von frischem Seewasser gewährleistet wird. Der Schlupfzeitpunkt kann bei dieser Vorgangsweise etwas gesteuert werden. Es gilt ja den idealen Zeitpunkt zu erwischen. Jetzt wird die Box nach dem Bestücken mit Fischeiern abgedunkelt. Zu viel Licht vertragen die Eier nicht, denn auch in der Natur werden die Eier mit Kies bedeckt. Schon bei einem geringen Anstieg der Wassertemperatur kommt es bei zu viel Lichteinfall, hervorgerufen durch Photosynthese, zu einer Algenbildung in der Brutbox. Verpilzte Eier sollte man mit einer Feder zum Überlauf transportieren. Das ist ein weiterer großer Vorteil dieser Box. Abgestorbene oder durch Pilzbefall verklumpte Eier können ohne großen Zeitaufwand entfernt werden. Aufpassen sollte man lediglich, dass die gesunden Eier, wenn möglich, nicht bewegt werden. Die Saugwirkung des Überlaufes erledigt den Rest und die Box bleibt weitgehend sauber. Jetzt warten die Larven in der Eihülle gut geschützt im Dunkeln der Box auf den Zeitpunkt ihres Schlupfes. In der Regel schlüpfen die ersten Larven ab einer Wassertemperatur von 3,5°C und ca. 5 Tage nach dem Einbringen in der Box. Der Schlupfvorgang selbst ist ein echter Kraftakt. Mit aller Kraft versuchen die Larven die Eihülle zu durchstoßen. Als erstes kommt der Kopf oder Schwanz und mit einer letzten Streckbewegung wird auch der Dottersack von der Eihülle befreit. Die geöffneten Eihüllen sind jetzt das erste sichtbare Zeichen des einsetzenden Schlupfvorgangs. Es ist immer wieder ein erhebender Moment, wenn die ersten leeren Eihüllen durch die Brutbox schweben. Auch hier sollte man der Natur etwas nachhelfen und die Eihüllen mit einer Feder in Richtung Überlauf entfernen. Der gleiche Vorgang passiert im Bach durch die Strömung und Krankheitserreger werden dadurch von den Larven weggeschwemmt. Durch den orangefarbenen Dottersack gut sichtbar, liegen die frisch geschlüpften Larven jetzt an der Oberfläche des künstlichen Kieslückensystems. Nach kurzer Zeit aber, ihrem Trieb folgend, verstecken sich die Larven in den Hohlräumen zwischen den Kieselsteinen. Hier leben sie, geschützt vor Fressfeinden, in den ersten Wochen von ihrem Dottersack. Die Larven haben in diesem ersten Lebensstadium noch keinerlei Ähnlichkeit mit adulten Seeforellen und man kann nur erahnen zu welch kapitalen Forellen diese Winzlinge heranwachsen können.
Das Abwachsen der Brütlinge im Bach und die Nutzung der verschiedenen Habitate. Nach ca. 30 Tagen ist es endlich soweit. Die ersten Brütlinge verlassen nach dem Aufbrauchen des Dottersackes die Brutbox durch den Überlauf. Im feinen Kies an der Mündung unseres Rohres sind sie jetzt sehr schön zu beobachten. Doch jetzt beginnt erst der schwierige und gefahrvolle Weg unsere Jungfische. Um einen natürlichen Populationsaufbau unserer Seeforellen im Zeller Bach zu gewährleisten, mussten im Bachbett etliche Renaturierungsmaßnahmen vorgenommen werden. Seeforellen haben in den verschiedenen Wachstumsphasen unterschiedliche Habitatsansprüche. Es mussten daher zusätzlich zu den natürlich vorkommenden Unterständen, wie unterspülte Ufer und Wurzelstöcke, einige Einbauten durchgeführt werden. Kleine Schwellen, Buhnen und Störsteine gewährleisten jetzt einen zusätzlichen Sauerstoffeintrag und sind die Grundlage eines funktionierenden Seeforellenhabitats. Der Umfang dieser Einbauten muss selbstverständlich an die Verhältnisse im Bach und an der Größe der zu erwartenden Fische angepasst werden. Und so entstanden kleine Vertiefungen, Rieselstrecken und Kehrwasser. Sehr gut zu beobachten ist auch die verschiedene Nutzung dieser Unterstände. Wenn die Anzahl der Brütlinge ca. 2 Monate nach dem Schlupf noch sehr hoch ist, sind sie praktisch überall, von der ersten Schwelle bis hin zum Mündungsbereich, zu finden. Durch natürliche Dezimierung ist allerdings sehr schnell zu erkennen wo die besten Unterstände für unsere Brütlinge sind. Ab einer Größe von 50 mm sind sie in erster Linie an flachen und mäßig schnell fließenden Stellen zu finden. Geschützt durch Hohlräume (Juvenilhabitat) im groben Bodensubstrat, lernen sie hier, im noch geringen Strömungsdruck, antreibende Nahrung zu nehmen. Je größer die Fische werden, desto mehr sind sie auch an den tieferen Stellen und bei den größeren Steinen zu finden (Adulthabitat). Da es bei Seeforellen einen ausgeprägten Kannibalismus gibt, wird ein Brütling diese Stellen eher meiden. Leider ist unser Versuch, Elritzen im Zeller Bach wieder anzusiedeln, fehlgeschlagen. Schnell ansteigende Wasserstände bei Hochwässer sind von Elritzen, ohne geeignete Retentionsräume, scheinbar nicht zu verkraften. Das Hochwasser im Juni 2013 hat dem kleinen wiederangesiedelten Elritzenbestand regelrecht vernichtet. Allerdings ist es unser Beitrag zum Fisch des Jahres, diese Wiederansiedelung fortzusetzen. Wir wollen ja nicht nur davon reden, sondern auch Taten setzen. Es ist zwar nur ein kleiner Beitrag, aber mit großer Wirkung für den Seeforellenbestand im Zeller Bach. Elritzen sind ja ein unverzichtbares Bindeglied in der Nahrungskette junger Seeforellen. Nebeneinander wachsen beide Fischarten im Bach auf und sind Teil einer Fischartengemeinschaft. Für das Aufkommen der Seeforellen ist diese Gemeinschaft von eminenter Wichtigkeit. Noch im Bach erlernen die Jungfische die Jagd auf größere Beute und sind nicht gezwungen aus Nahrungsmangel früher als von der Natur vorgesehen den geschützten Bach zu verlassen. Es gibt in diesem Mikrohabitat Zeller Bach eine natürliche Grenze was die Größe der Fische betrifft. Aber so ist es in der Natur, größere Fische brauchen auch größere Unterstände und wandern daher auf der Suche nach geeigneteren Unterständen ab. In unserem Fall ist das der Irrsee und dort wollen wir sie auch haben. Die Seeforellen aus unserer Brutbox sind optimal an den Irrsee angepasste Fische und haben kein Problem zu kapitalen Seeforellen abzuwachsen. Zusätzliche Versuche mit Laichfischen und 2 sömmrige Seeforellen haben bewiesen, dass die Seeforelle durchaus in der Lage ist wieder ihren angestammten Platz im Lebensraum Irrsee einzunehmen. Und im See heranwachsende Seeforellen wissen auch mit einem, im Herbst auftretenden, Sauerstoffdefizit umzugehen. Vielleicht gelingt es uns wieder einen kleinen Bestand an Laichfischen im Irrsee zu etablieren. Es ist uns allerdings auch durchaus bewusst, dass wir das Rad der Zeit nicht mehr zurückdrehen können. Die Verbauung der Zuflüsse ist schon zu weit fortgeschritten. Aber gerade am Irrsee haben wir eine einmalige Gelegenheit, in Zusammenarbeit mit den Profis aus Kreuzstein, Brutboxen zu betreiben. Anmerkung: Versuche diese Fische mit Brutfutter bei ihrer Nahrungsaufnahme zu unterstützen sind kläglich gescheitert. Es sind naturnah geschlüpfte Fische, die unser Futter nicht kennen und daher auch nicht nehmen.
Entwicklungsphasen nach Einbringung der Eier im Augenpunktstadium.
Einbringung der Seeforelleneier am 21. Februar – Seetemperatur 3,8°C
Schlupfbeginn 21. Februar nach ca.100 Tagesgraden – Seetemperatur 3,5°C – Larvengröße ca. 15 mm
Schlupfende 20. März – Seetemperatur 6,0°C
21. April. Verlassen der Brutbox und Beginn der Fressphase im Bach Brütlinggröße ca. 25 mm
4. Juni. Brütlinge mit ca. 50 mm Bachtemperatur ca. 15,0°C
10.September. Brütlinge mit ca. 80 mm Bachtemperatur ca.18,0°C
An dieser Stelle möchten wir uns vielmals bei FM Kletzl Manfred und seinen Mitarbeitern von der Brutstation Kreuzstein bedanken die uns immer mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Rudolf Mikstetter