Die Situation der Bachforelle in Mitteleuropa von Mag. Roman Moser

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Der genetische Unterschied zwischen Wild- und Zuchtfischen. Von Mag. Roman Moser.

Nach Johannes Schöffmann, Aquatech Puplikations 2013 (Die Forelle der Gattung Salmo) findet man in Europa drei Bachforellenstämme.
Atlantikstamm (Atlantikbecken, Marokko, Sizilien, Portugal)
Donaustamm (Schwarzes Meer, Kaspisches Meer, Aralsee)
Mediteraner Stamm
Mittelmeerstamm (Spanien, Italien, Korsika)
Adriastamm (Sardinien, Anatolien, Euphratbecken)
Marmoratastamm (nördl. Adriabecken)

Verbreitungsgebiete:
Verständlicher Weise überschneiden sich diese Verbreitungsgebiete wobei es im Einzugsgebiet des Dinarischen Gebirges (Neretva) eine eigene Form, die Weichmaulforelle gibt. Deren Kopfform ähnelt der einer Äsche (Bunafluss).
Sowohl Robert J. Behnke als auch James Prosek weisen in ihren Büchern auf die akribische Arbeit dieses österreichischen Hobbyichtiologen hin.
Nach dem zweiten Weltkrieg war für die Bachforelle in deutschen und österreichischen Gewässern die Welt noch in Ordnung. Natürliche Ufer, nur wenige Wasserkraftwerke und die Eutrophierung durch ungeklärte Haushaltsabwässer in denen die Bachforelle des Donau- als auch atlantischen Stammes oftmals beträchtliche Anzahlen, als auch Gewicht erreichen konnte. Jeder noch so kleine Wiesenbach beherbergte die Rotgetupfte und ich kann mich noch an jene Tage erinnern, wo wir Buben mit der bloßen Hand Salmo Trutta unter den Ufersteinen hervorholten. Gelegentlich waren es auch Drahtschlingen und beköderte Haken, die dafür sorgten, dass wir an unseren sommerlichen Lagerfeuern sowohl Mühlkoppen als auch Forellen mit Genuss verzehren konnten. Obwohl Schwarzfischen damals noch strenger geahndet wurde als heute. Doch wie sieht die Situation heute aus? Und das erachte ich eher als deprimierend. In den freien Fließstrecken kommen alle Fische, auch Forellen mit den Pflanzenschutzmitteln aus der Landwirtschaft, den Reststoffen aus Kläranlagen (Arzneimitteln, Reinigungsmitteln, Antibiotika, Östrogene), sowie Wasser aus Werkstätten und Industrie in Berührung. Auch das jüngst entdeckte Microplastik ist für das Jungfischwachstum nicht gerade förderlich. Auf Grund oben erwähnter Faktoren ist auch die Nahrungsgrundlage, nämlich die Zahl aller Wasserinsekten geschrumpft. Nur mehr geschätzte 20 % im Vergleich zu früheren Jahren stehen den Fischen für ihr Fortkommen zu Verfügung. Die Zunahme der anthropogenen Bevölkerung und folglich auch die Besiedlungsdichte engten den aquatischen Lebensraum der Bachforelle immer mehr ein. Salmoniden sind Kulturflüchter und nicht Kulturfolger (wie etwa Krähen oder Rehe).

Klimawandel:
Weiters ist auch die Zunahme der Erwärmung der Gewässer jener Grund, der den Lebensraum der Forellen immer weiter stromauf verschiebt. Wassertemperaturen die über 16° C liegen empfinden sie als Belastung (Hitzestress). Sowie auch ein Inuit, den man in der Sonorawüste aussetzt schnellstens wieder seine Heimat im kalten Norden aufsuchen würde. Genauso reagieren alle Forellenartigen. Sie flüchten, so sie können stromauf in kälteres Wasser.

Hindernisse und Verlust des Habitats:
Doch diese stromauf Migration wird ihnen immer öfter verwehrt. Über 6.000 Wasserkraftwerke allein in Österreich und über 63.000 sonstige Querbauwerke verhindern ein erfolgreiches Ausgleichs- und Laichwandern in die Oberläufe.
Ähnlich zeigt sich auch die Situation in Deutschland
Nur mehr 6 % unserer Flüsse weisen natürliches Ufer auf. Flussbegradigungen und Abflussertüchtigungen in Bächen mit trapezförmigem Querschnitt machen das Überleben bei Hochwasser fast unmöglich. Es fehlen einfach die Gliederungen, Strömungsbrecher oder Retentionsräume. Für Renaturierungen fehlt einfach das nötige Geld der öffentlichen Hand und wird nur fallweise von potenten Fischwasserbesitzern in Eigenregie finanziert. Doch dies sind meist nur rein kosmetische Eingriffe. Für großräumige Strukturen fehlt einfach der Platz, das Geld und auch der Wille politischer Entscheidungsträger.
In letzter Zeit wurden auf Grund der EU-Wasserrahmenrichtlinie vermehrt vertical Slotaufstiege um Kraftwerke herum errichtet. Diese werden jedoch, laut Statistik (Monitoring) nur von 30 % der Fische genutzt. Der Großteil der Flossenträger bleibt unter den Turbinen stehen und kann nicht weiter. Wesentlich zielführender und effektiver wären hier Tümpelpässe oder reichlich dotierte Umgehungsgerinne. Doch dies scheitert oft am fehlenden Geld- oder Platzangebot.
Ich glaube, dass Wasserkraftanlagen, die das freie Fließen der Bäche und Flüsse unterbrechen, der Hauptgrund für den Rückgang der Bachforelle sind. Nicht nur, dass viele Fische beim flussab wandern in den Turbinen zerstückelt werden produziert der Faulschlamm im Staubereich, im Vergleich zu Co² das 25mal umweltschädlichere Methangas. Denn das „Sehen“ hört für viele Menschen an der Wasseroberfläche auf. Und ein funktionierender Kühlschrank ist verständlicherweise wesentlich wichtiger als das Überleben eines kalten glitschigen Fisches. Könnten Forellen schreien so wäre das ein ohrenbetäubendes Gebrüll. Andere Formen der Energiegewinnung sind in Zukunft gefragt.

Fischfresser:
In den letzten 20 Jahren ist der Tierschutz in Europa stetig und meiner Meinung nach überbordend gewachsen. Vor allem die urbane Bevölkerung steht massiv dahinter. Dies hatte aber zur Folge, dass auch Fischfresser, wie Kormoran, Gänsesäger und Fischotter Totalschutz genießen.Heute brüten im Sommer über 2 Mio. Kormorane im Bereich der Ostsee die im Winter die Seen und Flüsse Mitteleuropa heimsuchen. Ihre Bejagung ist nur in manchen Gebieten erlaubt. Gänsesäger und Fischotter sind hingegen total geschützt, wobei in Österreich die Otter Population auf Grund von Zucht und Freisetzungen schon größer ist als in Kanada. Das hier in den Oberläufen der Bäche und Flüsse kaum noch Bachforellen zu finden sind, erscheint verständlich. Denn gerade diese Laichgebiete und Kinderstuben der Fische werden vom Wassermarder und Graureiher massiv heimgesucht.

Besatzfische:
Trotz all dieser Widrigkeiten beherbergen Österreichs Bäche und Flüsse immer noch Bachforellen. Das Bewirtschaftungssystem in Mitteleuropa gestaltet sich anders als in den USA. Hier sind die Besitzer oder Pächter einzelner Fließstrecken für den Besatz verantwortlich. In den hochgelegenen Gebirgsbächen der Alpen findet man sicherlich immer noch sich selbst erhaltende Populationen von Salmo Trutta.
In den Tälern und im Alpenvorland müssen diese Bestände jedoch durch jährlichen Besatz gestützt werden. Allerdings wurde in den letzten Jahren die autochtone donaustämmige Bachforelle aus Unwissenheit von atlantischem Besatzmaterial verdrängt.
Gott sei Dank gibt es aber noch einige Fischzuchtbetriebe, die nur die heimische Bachforelle züchten. Auf Grund des Prädatoren- und auch Befischungsdrucks sind jedoch im Freiwasser kapitale Exemplare eher selten anzutreffen. Da jedoch die Bachforelle auf der roten Liste gefährdeter Tierarten steht, wird ihr Besatz, wenn auch nur geringfügig, von öffentlichen Stellen finanziell unterstützt. Dies gilt auch für die Seeforelle die in der Vergangenheit von den Berufsfischern massiv dezimiert wurde, da sie vor allem den Coregonen, den Brotfischen dieser alten Fischerszunft nachstellt. Weiters wird in Österreich und Bayern der Besatz mit Huchen als auch Äschen mit reichlich privaten Geldmitteln gefördert. Sich jährlich wiederholender Besatz ist daher der Garant für das Überleben der Bachforelle. Die Fischzüchter können somit kaum die Nachfrage befriedigen. Ähnlich wie in Österreich gestaltet sich auch die Situation in Deutschland. An der Wisent, einem der bekanntesten bayrischen Kreideflüsse stellt die Bachforelle für viele Flugangler ein vorrangiges Fangobjekt da. Jedes Jahr zur Maifliegenzeit (Ephemera) stellen sich dort hunderte Fliegenfischer auf der Jagd auf Salmo Trutta ein. Bayern ist generell mit seinen Flüssen aus den nördlichen Kalkalpen mit kaltem Wasser gesegnet und bietet dem Angler viele Flussabschnitte mit ausgezeichnetem Salmonidenbestand. So wurde auch in Deutschland bereits in der Vergangenheit, mit enormen Engagement und finanziellen Mitteln das Projekt Lachs 2000 ins Leben gerufen. Heute schwimmt wieder Salmo Salar den Rhein hinauf und laicht in den Oberläufen einmündender Bäche und Flüsse. Auch für das Meerforellenprogramm in Norddeutschland wurde viel getan auch mittels körperlichen Einsatz (Renaturierungen durch diverse Pächter und Fischereivereinen).
Auch im deutschen Mittelgebirge, sowie die Flüsse der ehemaligen DDR (Erzgebirge) wird für die Bestandserhöhung der Bachforelle viel getan. Die ehemaligen Ostblockstaaten (hinter dem Eisernen Vorhang) besaßen Gott sei Dank nicht das Kapital, um ihre Flusslandschaften nachhaltig zu zerstören. Daher fließen dort die Bäche und Flüsse zum Großteil auch heute noch so wie früher. Allerdings war in kommunistischer Zeit der Fischfang ein Mittel zum Zweck, um die dürftige Speisekarte der Bevölkerung zu bereichern. Den Bestand an Forellen und Äschen musste man damals eher als bescheiden bezeichnen. In letzter Zeit hat man allerdings nach Öffnung der Grenzen erkannt, dass man durch kluge nachhaltige Bewirtschaftung der Flüsse mit Bachforellen auch Geld verdienen kann. Der Fremdenverkehr mit Fokus auf Fliegenfischen hat vor allem in Tschechien (Moldau), der Slowakei (Orava) und Polen (San) zusehends an Bedeutung gewonnen. Auch hat sich das Umweltbewusstsein und das ethische Verhalten gegenüber dem Fisch gewandelt. Die Länder Rumänien und Bulgarien, mit ihrer stetig wachsender Zahl an Fliegenfischern sind jedoch in der Zielsetzung, eine reglementierte Befischung zu fördern noch im Hintertreffen.

Exjugoslawien:
Dieser Teil der Balkanhalbinsel, vorrangig im dinarischen Gebirge, also im Karst der dalmatinschen Küste wäre das eigentliche Mekka aller europäischen Fliegenfischer. Die zahlreichen kalten Quellbäche und Flüsse, die als wasserreiche Spring Creeks zumeist aus Quelltöpfen oder aus Höhlen fließen (Polje) weisen das ganze Jahr hindurch einheitliche Wasserführung als auch niedrige Temperaturen auf. Flüsse wie der Unec, Gacka, Sana, Una, Krka, Pliva und Neretva sind für das Gedeihen aller Salmoniden prädestiniert. Hier kommen neben der Bachforelle auch die Äsche, der Huchen und die Marmorata vor. Gerade letztere wird gehegt und gepflegt. Länder wie Slovenien und Kroatien und auch Bosnien haben die Bedeutung all dieser Fischarten erkannt und fördern den Angeltourismus mit der Fliege. Allerdings ist es schwierig, die Schwarzfischerei (Poaching) zurückzudrängen. Zu verlockend sind die im klaren Wasser leicht auszumachenden kapitalen Bachforellen. Leider ist auch in diesen ehemalig großjugoslawischen Teilstaaten der Energiebedarf enorm gestiegen und es sind in Zukunft bis zu 90 Wasserkraftwerke geplant. Ade du schöne Flusslandschaft.

Das Zuchtprogramm (Bachforelle, Regenbogenforelle, Saibling):
Brütlinge in einer Fischzucht werden zumeist in Masse gehalten. Dadurch entstehen auch die häufigen Flossenschäden. Ferkel beißen sich bei zu dichter Haltung gegenseitig die Ringelschwänze ab und verschonen auch die Ohren ihrer Geschwister nicht. Und Forellen knappern sich gegenseitig die Brustflossen an, in der Meinung es sei Pellet-Futter. Fische ohne – oder mit verkrüppelten Brustflossen – verlieren in der Strömung (Freiwasser) ständig das Gleichgewicht, kippen nach der Seite und wandern ab. Der Kraftverlust, um ständig die Balance zu halten, ist einfach zu groß. Auch Naturnahrung wird nicht als solche erkannt. Sie sind ständig auf der Suche nach Pellets. Schwimmleistungen in der Strömung sind aufgrund mangelnder Muskulatur stark reduziert. Sie zeigen – auch im Freiwasser – unnatürliche Schwarmbildung (auch Bachforellen). Standplätze werden – wie im Zuchtbecken – über tiefem Wasser aufgesucht (Raubfische freuen sich). Sie besitzen keine Fluchtreflexe und verhalten sich lethargisch bei Einfall von Fressfeinden. Sie wissen auch nicht wohin, bei Hochwassersituationen. Faktische Blindheit bei Wassertrübung. Laichgeschehen im Hauptfluss und kaum Migrationsbewegungen stromauf. Keine Nahrungsselektion – es wird alles genommen, was freßbar erscheint. Daher ist es auch wesentlich einfacher, einen Zuchtfisch zu fangen, ein Reizköder genügt zumeist. Wildfische hingegen wissen genau, was Nahrung ist. In den ersten Wochen nach dem Besatz wandern Zuchtfische stark ab – dies bedeutet Kraft- und Konditionsverlust.

Die Zukunft?
Trotzdem wie schon erwähnt gibt es große Anstrengungen in Mitteleuropa, das Überleben der Bachforelle zu sichern, wenn auch nur mehr gestützt durch ständigen Besatz aus Zuchtanlagen (genetische Deformation).
Wo aber können wir in Europa frei geborene und wildlebende Fische der Gattung Salmo Trutta noch finden? Da müssen wir uns in die dünn besiedelten nördlichen Gefilde aufmachen, nach Skandinavien, Island, Nordengland, Schottland, Irland, auf die Halbinsel Kola oder in die Regionen schwerzugänglicher europäischer Hochgebirge.

Dieser Beitrag von Mag. Roman Moser erscheint allerdings nur in engl. Sprache 2018 im Buch des US Autors Matt Subinski mit dem Titel „The Brown Trout / Atlantic Salmon Nexus“.

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